Es war sicherlich kein Nachteil, dass der Reisebus mit der Jury des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ um einige Minuten zu früh gestern am „Schottenstein“ in Sehestedts Süden eintraf. Dort, wie auch an vielen Punkten im Dorf nördlich des Nord-Ostsee-Kanals, hielten sich insgesamt 30 Sehestedter bereit, um für ihren Gewerbebetrieb, Verein, Institution oder auch ihr Hobby zu erläutern, warum ihr Wohn- und Heimatort trotz demographischen Wandels und allgemeiner Landflucht eine überaus positive Zukunft erleben wird. Denn genau darum geht es bei diesem vom schleswig-holsteinischen Innenministerium ausgelobten Wettbewerb, bei dem Sehestedt es unter die Top-Zehn-Orte im Land geschafft hat. Sieger wurde letztlich aber die Gemeinde Nindorf.
Klug, und wohl auch ein wenig anders als weitere Orte im Wettbewerb, hatte sich die Kanalgemeinde unter Führung von Bürgermeister Torsten Jürgens-Wichmann auf diesen Jury-Besuch vorbereitet. Für die Juroren bedeutete der gewählte „Sehestedter-Weg“ auch ein wenig mehr Anstrengung, denn statt einer akademischen Präsentation der Gemeinde per Beamer oder Präsentations-Monitor hieß es für die Juroren in Begleitung der Honoratioren den Ort mit seinen zukunftsrelevanten Punkten auf Schusters Rappen zu erobern. Von A wie Angelclub über den MarktTreff bis hin zum Sportverein präsentierten sich die jeweils dort engagierten Bürger.
Beeindruckt zeigten sich die Juroren vor allem vom fröhlichen Vortrag von Madeleine Celine Materzok und Talea Hennings, Vorstandsmitglieder des Jugendbeirates, der mit Unterstützung der Gemeinde mannigfaltige Aktivitäten in den letzten Jahren lostreten konnte. Auch der gemeindeeigene Jugendtreff in den ehemaligen Hökerräumen findet inzwischen großen Zuspruch. Auch der Höker hat längst einen Nachfolger gefunden, denn für die ländliche Nahversorgung trägt inzwischen ein Laden im neuen KanalTreff Verantwortung.
Neben dem beeindruckenden Nutzkunst-Angebot von Leander Bruhn konnte sicher auch Landwirt Cay Ahlmann für einige Punkte auf dem Zukunfts-Konto der Jury sorgen.
„Wir betreiben hier moderne Landwirtschaft bei gleichzeitigem Erhalt der klassischen Gutsanlage“, erklärte Cay Ahlmann, und erläuterte auch weitere Aktivitäten im Bereich Windenergie, Milchproduktion und Wohnraumvermietung. „All dies erreichen wir in großer Übereinstimmung mit unseren Nachbarn und Mitbürgern.“
Zum Abschluss des Jury-Besuchs am KanalTreff stellte Kai Porath, Vorstandsmitglied der Sehestedter Denker & Wulf AG, die Aktivitäten seines Unternehmens vor. Dabei wies er auch auf die Bereitstellung des „Kleinen Wirbelwinds“ hin, ein E-Auto das zu günstigen Konditionen von allen Sehestedter Bürgern (mit Führerschein) genutzt werden kann. Und bevor schließlich Currywurst und Pommes im Kanal-Imbiss riefen, stellte dessen Chef Holger Petersen die Erfolgsgeschichte seines gastronomischen Betriebs, der längst Kultstatus genießt und zu den Top-Ausflugszielen am Kanal gehört, vor. Einst ein Mann mit umgebautem Bauwagen und seit 2017 schließlich ein hochmodernes multifunktionales Gebäude in bester NOK-Lage und 25 Arbeitsplätze. „Das kann sich schon sehen lassen, finde ich und wäre ohne die gute Zusammenarbeit in der Gemeinde niemals möglich gewesen“, so Holger Petersen.
Zu guter Letzt konnte Sehestedt den Wettbewerb aber nicht gewinnen, wie heute Nachmittag vom Innenministerium bekannt gegeben wurde. Sieger wurde die Gemeinde Nindorf aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde.
Nach einer Rundreise durch die Top 11 der schleswig-holsteinischen Gemeinden entschied sich die Jury für das 591 Einwohner zählende Dorf im Herzen Schleswig-Holsteins. Jury-Vorsitzende Helga Klindt von der Akademie für die Ländlichen Räume Schleswig-Holsteins:
„Uns haben insbesondere die generationsübergreifende, gelebte Dorfgemeinschaft in Verbindung mit innovativer Infrastruktur beeindruckt. Dies ermöglicht Gewerbe, Unternehmen und landwirtschaftlichen Betrieben, in dieser kleinen Gemeinde ihre Zukunft zu gestalten und Arbeitsplätze zu bieten – und das unter Bewahrung der dörflichen Baukultur und der natürlichen Ressourcen.“
Den zweiten Platz belegt die Gemeinde Treia (Kreis Schleswig-Flensburg, 1.533 Einwohner), den dritten Rang sichert sich die Gemeinde Brokstedt (Kreis Steinburg, 2.046 Einwohner). Das Sieger-Dorf im Naturpark Aukrug und die platzierten Gemeinden werden am Freitag, 7. September 2018, in der Gemeinde Nindorf von Ministerpräsident Daniel Günther ausgezeichnet.
Den erstmals ausgeschriebenen Sonderpreis der IHK Schleswig-Holstein und der Handwerkskammer Schleswig-Holstein erhält die Gemeinde Klixbüll (Kreis Nordfriesland) an der dänischen Grenze.
Für die Endrunde des diesjährigen Landes-Wettbewerbs, der vom Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein veranstaltet wurde, hatten sich qualifiziert: Bäk (Kreis Herzogtum Lauenburg, 901 Einwohner), Bargfeld-Stegen (Kreis Stormarn, 2.937 Einwohner), Borgstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde, 1.570 Einwohner), Brokstedt (Kreis Steinburg, 2.046 Einwohner), Kirchbarkau (Kreis Plön, 813 Einwohner), Klixbüll (Kreis Nordfriesland, 978 Einwohner), Nindorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde, 591 Einwohner), Schmalfeld (Kreis Segeberg, 1.950 Einwohne), Sehestedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde, 842 Einwohner), Treia (Kreis Schleswig-Flensburg, 1.533 Einwohner) und Westerhorn (Kreis Pinneberg, 1.336 Einwohner).
Innenminister Hans-Joachim Grote beglückwünscht die erfolgreichen Dörfer und bezeichnet den Landes-Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ 2018 als großen Erfolg. Alle Gemeinden in der Endrunde hätten betont, dass der Wettbewerb Anlass gewesen sei, Bilanz zu ziehen. Sie seien sich dabei ihrer Stärken bewusst geworden und hätten neue Potenziale entdeckt. „Die teilnehmenden Dörfer haben es unserer Jury nicht leicht gemacht. Mit der Sieger-Gemeinde Nindorf schicken wir einen starken Teilnehmer in den 2019 stattfindenden Bundes-Wettbewerb.“
Vor mehr als 60 Jahren wurde der Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ unter dem Titel „Unser Dorf soll schöner werden“ in Schleswig-Holstein ins Leben gerufen und ist jetzt längst bundesweit etabliert. Jury-Vorsitzende Helga Klindt: „Auf unserer intensiven Rundreise zu den Top 11 waren wir beeindruckt von der inhaltlichen Qualität der Präsentationen vor Ort. In einem spannenden Abwägungsprozess fiel schließlich die Entscheidung.“
Teilnehmen am Wettbewerb, der alle drei Jahre stattfindet, konnten Gemeinden mit maximal 3.000 Einwohnern. Die Gewinner-Gemeinde bekommt eine Landes-Projektförderung in Höhe von 10.000 Euro, die sie mit 2.500 Euro kofinanzieren muss. Außerdem qualifiziert sie sich automatisch für den Bundes-Wettbewerb, der 2019 ausgetragen wird. Erstmals wurde zusätzlich der Sonder-Preis der Handwerkskammer Schleswig-Holstein und der IHK Schleswig-Holstein in Höhe von 5.000 Euro vergeben.