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Sehestedts Bücherkreis: Rück-und Ausblick

12.01.2020Aktuelles
Sehestedts Bücherkreis: Rück-und Ausblick

Der Lesekreis. Foto: Sabine Sopha

Jeden zweiten Dienstag im Monat trifft sich der Lesekreis Sehestedt im Bürgerraum des Kanaltreffs (19.30 Uhr). Dann wird ein Buch diskutiert, das alle zuvor gelesen haben. Oder es werden Neuerscheinungen vorgestellt. Auch Lese-Tipps der Mitglieder sind sehr begehrt. Bevor die Büchernarren am Dienstag, 14. Januar, wieder zusammen kommen, hier von ihnen vorgestellt ihre Lieblingslektüre des vergangenen Jahres  – mit den besten Wünschen für ein spannendes Lesejahr 2020. Die Wahl fiel allen nicht leicht, so dass ein Mitglied zwei Bücher aufführt. Übrigens: Jeder kann jederzeit zu der Runde dazu stoßen.


Ellen Pahling
„Die andere Frau“ von Michael Robothan
480 Seiten, 14.99 Euro, Goldmann Taschenbuch

Ellen Pahling. Fotos: Sopha

Es war gar nicht so einfach, nur ein Buch als Favorit zu benennen. Letztlich ist die Wahl auf den Psychothriller „Die andere Frau“ von Michael Robothan gefallen. Krimis sind nicht so mein Ding. Ich mag es nicht, wenn beim Lesen „das Blut aus dem Buch“ tropft und Psychopathen mich in Angst und Schrecken versetzen. In dieser Story wird zwar William, der Vater des Psychologen Joe O´Loughin, Opfer eines brutalen Überfalls. Doch dieses Verbrechen beschäftigt Joe nicht so sehr wie die Tatsache, dass sein Vater ein Doppelleben geführt hat. Als Joe im Krankenhaus das Krankenzimmer seines Vaters betritt, sitzt da nicht seine Mutter am Bett, sondern eine völlig fremde junge blutüberströmte Frau. Die behauptet die Ehefrau von William zu sein. Wer ist sie wirklich? Bekannte, Geliebte, eine verwirrte Seele oder eine Mörderin? Joe nimmt eigene Ermittlungen auf. Bekommt heraus, dass seine Mutter von dem Doppelleben seines Vaters wusste und das sein Vater ein ganz anderer Mensch war, als er immer vorgab. Nicht hart und streng, sondern liebevoll und zärtlich. Ansonsten kreuzt noch so mache zwielichtige Gestalt durch die Ermittlungen, unter anderem der psychisch kranke Sohn der falschen Ehefrau und dessen schräge Freunde. Gemordet wird natürlich auch noch.

Fazit: Das Buch war von der ersten bis zur letzten Seite spannend. Viel Drama mit einer Prise Hardcore. 


Rita Koop
„Simpel“ von Marie-Aude Murail
304 Seiten, 8.99 Euro, Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuch

Rita Koop

Als Vielleserin haben Rita Koop zahlreiche Bücher im vergangenen Jahr sehr gut gefallen. Schon mehrfach gab es Lektüre im Lesekreis, bei der es um Menschen mit dem Down-Syndrom ging. Beispielsweise der in Schleswig-Holstein spielende Krimi „Dunkle Marsch“ von Heike Denzau, in dem Machenschaften aus der NS-Zeit ans Licht kommen und der Umgang mit behinderten Menschen zur jener Zeit. Oder „Meistens kommt es anders, wenn man denkt“ von Petra Hülsmann, in dem der junge Erwachsene Lenny dafür kämpft, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, auch wenn das Down-Syndrom hat. Die Bücher wurde jeweils heiß in der Leserunde diskutiert – aber genau das ist ja ein Sinn der Runden. Da prallen manchmal unterschiedliche Standpunkte aufeinander, aber diese eröffnen auch neue Sichtweisen. „Simpel“ ist ein mehrfach ausgezeichnetes Jugendbuch. „Die Frage: Wie gehe ich mit dem Down- Syndrom um, steht hier im Zentrum. Aus diesem Grund hat mir das Buch gefallen“, sagt Rita Koop. Die Handlung: Simpel ist zweiundzwanzig Jahre alt, doch mental ist er auf der Stufe eines dreijährigen Kindes. Sein 17-jähriger Bruder kümmert sich liebevoll um ihn. Sie leben in einer Wohngemeinschaft, deren Bewohner anfangs nicht mit Simpels Besonderheiten umgehen können.

Fazit: Mit Verständnis und Liebe lassen sich viele Probleme bewältigen.


Renate Ahlmann
“Vergiss kein einziges Wort” von Dörthe Binkert
672 Seiten, 22 Euro, dtv

Renate Ahlmann

Die Handlung (Verlagsversion):

Drei Epochen, drei Frauen, drei Schicksale. In den Geschichten von Martha, Maria und Magda im schlesischen Gleiwitz spiegelt sich die Geschichte einer Grenzregion wider: die Geschicke von Deutschen, Polen und Tschechen, Christen und Juden, die liebten und hassten, Familien gründeten und einander verließen, vertrieben wurden und sich wiederbegegneten. „Es ist eine Familiengeschichte“, erklärt Renate Ahlmann. Der Bogen wird gespannt von der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg über die Teilung Schlesiens und ihrer verheerenden Auswirkung bis hin zum Zweiten Weltkrieg und zur Neuzeit. “Das Buch ist eindrucksvoll geschrieben, geschichtlich sehr gut recherchiert“, sagt Renate Ahlmann. Die Region Schlesien hat eine lange und äußerst wechselvolle Geschichte. Sie liegt beiderseits des Ober- und Mittellaufs der Oder und erstreckt sich im Süden entlang der Sudeten und Beskiden. Schlesien liegt heute zum größten Teil in Polen. Ein kleiner Teil im Westen der früheren preußischen Provinz Niederschlesien gehört zu Deutschland, ein südlicher Teil von Oberschlesien zu Tschechien. Hinter den Fakten, die sich nüchtern lesen, stecken menschliche und oftmals tragische Schicksale. “Es ist unglaublich, was Menschen erdulden müssen und was sie sich antun!”, sagt Renate Ahlmann.

Fazit: Für mich ist das Thema immer wieder lesenswert, um sich der brutalen Auswirkung von Krieg und Gewalt bewusst zu werden.


Harald Pahling
„Terror“ von Dam Simmons
992 Seiten, 12.99 Euro, Heyne TB

Bücher werden als spannend, fesselnd oder amüsant beschrieben. Aber es gibt auch ganz andere: Man kann sie nicht weglegen, aber die Lektüre ist für das Seelenleben brutal. „Terror“ ist nicht nur der Name eines Schiffes sondern auch der Titel eines Romans von Dam Simmons. Der Roman beschreibt die Expedition (1845 gestartet) von John Franklin auf der Suche nach der legendären Nord-West-Passage. 128 Männer und zwei Schiffe verschwinden spurlos (Neugier erweckt der Fund der Schiffe „Terror“ und „Erebus“ in 2016 in der Arktis im Norden Kanadas). Grausam, tragisch und mystisch durchlebt der Leser den Tod der Besatzung und der Schiffe im Eis und in den Polarwintern. In einer lebensfeindlichen Umwelt fehlt es den britischen Entdeckern an Überlebenstechnik, zu sehr haben sie sich auf die mitgebrachte neue Technik verlassen. In Meuterei, Irrsinn und Kannibalismus endet die Tragödie. Nach der Lektüre an Bord unserer Yacht konnte ich die friedliche, warme Umwelt umso mehr genießen.

Fazit:  Man braucht starke Nerven und kann sich dem Sog des Romans nicht entziehen.


Karin Bornhöft
„Hohenstein – ein deutsches Jahrhundert in Familienbildern“ von Bogislav von Gerlach
 303 Seiten, 26 Euro, Edition Eichthal

Karin Bornhöft

Einhundert Jahre Deutsche Geschichte erlebt von vier Generationen auf dem idyllisch an der Eckernförder Bucht gelegenen Landgut Hohenstein – davon erzählt das Buch. Vom Vormärz über die Kaiserzeit bis zum Beginn eines neuen Europas wird anhand von Dokumenten, Briefen, Tagebüchern und Fotos die Biographie der Vorfahren des Autors nachgezeichnet. Bogislav-Tessen von Gerlach wurde 1946 in Hohenstein geboren, wo er gemeinsam mit seinen drei jüngeren Brüdern aufwuchs. Er studierte Rechtswissenschaften, leitete den Familienbetrieb und war viele Jahre Landrat des Kreises Schleswig-Flensburg.

Dass ein Großvater des Autors dazu beigetragen hat, Hitler 1933 an die Macht zu bringen, ist nur ein Beispiel für historische Wegmarken in der familiären Vergangenheit. Und dass der andere Großvater und auch ein Großonkel im Widerstand gegen die NS-Diktatur ihr Leben lassen, und ihre Angehörigen die Heimat verlieren, ist ein anderes. Aber bei allem Trennenden gelingt es den Überlebenden beider Familien, nach Kriegsende in Hohenstein ein vom europäischen Einigungsgedanken geprägtes neues Leben aufzubauen.

„Der Autor ist ein Vetter von mir“, erklärt Karin Bornhöft (geborene Schröder-Burckhardt),  “und wir haben auf Hohenstein schon mehrfach unsere Schröder`schen Familientage abgehalten. Vielleicht habe ich ja jemanden Lust auf dieses Buch gemacht, welches – so denke ich – nicht nur für Verwandte des Autors interessant sein kann.“

Fazit: Ein kontrastreiches Gesellschaftsporträt, das Geschichte persönlich macht.


Ruth Moll
„Wie Treibholz im Sturm“ von Daniela Ohms
544 Seiten, Knaur HC

Der Inhalt:

Eine winzige, unbeheizte Dachkammer auf einem Gutshof in Schleswig-Holstein ist Hannahs Zuhause, seit sie aus Hamburg evakuiert wurde. In einer einzigen Bombennacht hat sie ihre gesamte Familie verloren. Als weitere Flüchtlinge nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem überfüllten Hof eintreffen, muss Hannah die Kammer teilen, und das Wunder geschieht: Der halb verhungerte Soldat Moritz reißt sie aus ihrer Lethargie. Mit ihm sammelt sie Treibholz am Strand, um zu heizen. Mit ihm zusammen will sie den Hungerwinter, der in Schleswig-Holstein herrscht und den Flüchtlingen schwer zusetzt, überleben.

Das sagt Ruth Moll: Das Trauma vieler Soldaten, hier insbesondere derjenigen, die bei der Partisanenbekämpfung in Russland eingesetzt waren, hat mich zum Nachdenken angeregt. Und immer wieder spielt die Kraft der Liebe eine Rolle, auch wenn diese schlussendlich manchmal vergebens war…

Fazit: Die Flüchtlingsschicksale nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und das entsprechende karge Leben, das geprägt war durch den täglichen Kampf ums nackte Überleben, hat mich tief berührt.


Sabine Sopha
“Der Tote im Fleet” von Boris Meyn
288 Seiten, 9.99 Euro, Rowohlt TB

Sabine Sopha

Wer sich für Geschichte interessiert, insbesondere für die der Hansestadt Hamburg und noch dazu an Architektur-Details Gefallen findet, wird an dieser Krimi-Reihe seine helle Freude haben. „Der Tote im Fleet“ ist der erste Band, der bereits im Jahr 2000 erschien, den ich aber erst jetzt entdeckt habe. Der Schauplatz: Hamburg im Jahre 1847, fünf Jahre nach dem großen Brand von 1842, der viele Spuren in der Stadt hinterlassen hat. Hauptperson ist der Commissarius Hendrik Bischop, der im Fall des Toten im Fleet ermittelt. In der Tasche des Mannes wurden zwei Ziegelsteine gefunden.  Aber keine gewöhnlichen und sie führen den Kommissar auf die Spur der Täter und bis nach Schleswig-Holstein. Bischop lernt außerdem eine selbstbewusste Frau kennen – und so heißt es in den Folgebänden stets „Familie Bischop“ ermittelt. Der neunte Band ist im Mai 2018 erschienen und im Jahr 1929 angesiedelt. Wieder verknüpft Boris Meyn Zeitgeschichte mit einer Fülle von architektonischen Details – schließlich ist er promovierter Kunst- und Bauhistoriker.

Fazit: Historisch genau mit vielen Details, für deren Verständnis man aufmerksam lesen muss – aber auch viel lernt.


Georg Moll
„In den Sturm“ von Jan von der Bank
336 Seiten, 15 Euro, KJM Buchverlag

Georg Moll

Der Inhalt (Verlagsangaben): Nach einer Kutterregatta der „Kieler Woche“ wird ein Mädchen ermordet. Thies und die anderen Kuttersegler der Gorch Fock werden verdächtigt und tagelang von Polizei und den eigenen Offizieren verhört; die unmittelbar bevorstehende nächste Fahrt der Gorch Fock steht auf der Kippe. Schließlich darf das Schulschiff doch auslaufen. Aber der Fluch des toten Mädchens segelt mit.

Im Nordatlantik kommt es zu mehreren unheimlichen Todesfällen. Thies weiß, dass es auf See kein Davonlaufen gibt. Doch erst als der aufziehende Sturm seine volle Stärke erreicht hat, erkennt er, worum es dem Mörder wirklich  geht … Die mitsegelnde Stabsärztin Vivian Berg wird zu seiner Verbündeten.

Fazit: Ein spannender Horrortripp und jede Menge Schiffsdetails auf einem Großsegler.  Gerne würde ich einmal eine solche Fahrt mitmachen, allerdings braucht es kein Krimi zu werden. Das Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt.

Fast gleichauf liegt in der Faszination für Georg Moll ein zweites Werk:

„Die Kinder der Freiheit“ von Ken Follett
1216 Seiten, 15 Euro, Lübbe TB

Die Aufarbeitung der Geschichte ab nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu Obama ist eigentlich ein Muss für jeden einigermaßen politisch Interessierten. Insbesondere wird hier schonungslos mit der Politik der USA und ihrer Präsidenten „abgerechnet“. Dito mit der der ehemaligen Sowjetunion. Das Kompendium liest sich nicht ganz einfach, da ständig zwischen den verschiedenen Schauplätzen hin und her gesprungen wird.

Fazit: Insgesamt hervorragend recherchiert und leider sieht man, dass die Menschheit keine Lehren aus der Vergangenheit ziehen wird.